


CETA steht wieder auf der politischen Agenda. Das Bundesverfassungsgericht hat den Auftakt mit der ersten Verhandlung am 13.10.2020 gemacht.
Worum geht es?
CETA ist ein Freihandelsvertrag und soll den Handel zwischen Kanada und der EU erhöhen und damit Wirtschaftswachstum erzeugen. Er ist der erste von vielen Freihandelsverträgen dieser Art und geplant ist, dass die EU solche Verträge mit allen großen Handelspartnern weltweit schließt.
Durch den Vertrag soll alles abgeschafft werden, was den freien Handel behindern könnte:
- Neue Ausschüsse auf EU-Ebene sollen ohne öffentliche Kontrolle Regeln aufstellen können, die dann nicht von den nationalen Parlamenten korrigiert oder abgelehnt werden dürfen.
- Ein neuer Schiedsgerichtshof (ICS) gibt ausländischen Investoren (sowohl Firmen als auch reinen Finanzinvestoren) die exklusive Möglichkeit, Staaten auf hohe Schadensersatzforderungen zu verklagen. Er steht über der nationalen Gerichtsbarkeit. Der deutsche Richterbund hat sich in einer Stellungnahme klar gegen diesen Gerichtshof ausgesprochen.
- Das Ganze geschieht nach den im CETA – Vertrag aufgestellten Regeln, die aber zum großen Teil sehr unbestimmt sind und dann erst durch die Ausschüsse und die Rechtsprechung des Investorschiedsgerichtshof ausgelegt werden. Und sie haben Schlagseite: Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz, Daseinsvorsorge etc. sind juristisch sehr schwach formuliert. Das Pariser Klimaschutzabkommen wird erst gar nicht erwähnt.
Was sind die Wirkungen?
Die Auswirkungen auf unsere Demokratie, Rechtsstaat und kommunale Selbstbestimmung sind groß, vielleicht nicht kurzfristig, aber mittelfristig.
Das angebliche Ziel, Wirtschaftswachstum zu erzeugen und den Wohlstand zu erhöhen, lässt sich aber durch keine seriöse wissenschaftliche Studie belegen. Eine von der Kommission für TTIP in Auftrag gegebene Studie ergab, dass Effekte auf das Wirtschaftswachstum kleiner sind als die Prognosegenauigkeit, Wetter hat einen größeren Einfluss.
Ganz klar kann man aber jetzt schon sagen:
- Mit CETA können wir Klimaschutz schreddern. (Darauf wurde der Vertrag ja angelegt)
- Mit CETA wird eine Pandemiebekämpfung wie bei Covid 19 praktisch unmöglich. Es gibt keine Klausel, die Staaten wirklich Handlungsfreiheit in solchen Fällen einräumt. Jede staatliche Maßnahme kann eine Flut teurer Prozesse nach sich ziehen. Abgesehen davon: CETA zielt auf eine Privatisierung des Gesundheitssystems. Schon jetzt zeigt sich aber, dass ein gutes öffentliches Gesundheitssystem die Bevölkerung bei der Pandemie am besten schützt.
Auftakt am Bundesverfassungsgericht am 13.10. in Karlsruhe
Großer Tag beim Bundesverfassungsgericht: Am 13.10. fand die erste Verhandlung zum CETA-Abkommen seit 2016 statt. Verhandelt wurde über die Organklage der Bundestagsfraktion von DIE LINKE gegen den Bundestag, der es sich mit dem Ja zur CETA-Unterzeichnung im Sept. 2016 sehr einfach gemacht hat. Aus Sicht der LINKEN hat die GroKo-Bundestagsmehrheit damals gegen das Integrationsverantwortungsgesetz verstoßen. Wenn nationale Kompetenzen auf die EU – oder im Falle von CETA sogar auf supranationale Regulierungsausschüsse! – übertragen werden sollen, muss der Bundestag aufgrund des „IntVG“ genau prüfen, welche Gesetzgebungskompetenzen Deutschland hierdurch entzogen werden sollen.
Anlass genug für eine Kundgebung des Netzwerks Gerechter Welthandel Baden-Württemberg auf dem Karlsruher Marktplatz! Dort haben mehrere lokale Bündnisse des NGW mit Infostand, Reden und Flugblättern über CETA informiert. Super Unterstützung kam von den Musikern des Ensembles „Lebenslaute“, die klassische Musik aufführten und politische Lieder sangen. Das machte die Passanten aufmerksam, und ebenso die Fahrgäste der zahlreichen Straßenbahnen, die in rascher Folge am Marktplatz vorbeifuhren. Auch wenn nicht immer alles zu hören war, aber die Banner konnten alle sehen. Die Fotos geben einen Eindruck.
Es geht bei diesen Verträgen ja nicht einfach um Freihandel, sondern darum, dass mit regulatorischen Ausschüssen und der Einführung von Investorschiedsgerichten durch CETA ein supranationaler Gerichtshof geschaffen werden soll, der nur urteilt, ob die Gewinne privater Einzelinteressen beschnitten wurden, ohne dass Gemeinwohlinteressen wie Klimaschutz, Naturschutz, Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz und öffentliche Daseinsfürsorge einklagbar wären. Wie geht dann noch Klimaschutz oder Pandemiebekämpfung? Es sind kritische Fragen, die eine Antwort brauchen. Insofern war diese erste Verhandlung der Organklage der Linken am Bundesverfassungsgericht ein Auftakt. Die folgenden vier Verfahren werden sich mit CETA selbst befassen. Wenn alle Urteile gesprochen sind, werden der deutsche Bundestag und der deutsche Bundesrat über CETA abstimmen. Sorgen wir dafür, dass diese Abstimmungen im Sinne des Gemeinwohls getroffen werden!
CETA muss wieder in die öffentliche Diskussion kommen. Die Presse muss vollständig berichten. Alle Politiker*innen müssen Stellung beziehen und Antworten auf die Kritikpunkte geben. Keiner der verantwortlichen Politiker*innen darf sich, wie bisher geschehen, einfach wegducken. Kommunen müssen sich zur Wehr setzen, weil CETA vor allem auf den Zugriff von großen Investoren auf öffentliche Investitionen zielt.
Wir sind wieder auf der Straße – das geht auch unter Einhaltung der Coronaregeln.
Autorin: Dr. Sibylle Brosius
(Dr. Sibylle Brosius ist Mitglied der NaturFreunde Mutterstadt und engagiert sich im Netzwerk Gerechter Welthandel)